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Alle Fachgebiete unter einem Dach

Im Gespräch: Prof. Dr. Philipp Sommer, Direktor der Klinik für Elektrophysiologie und Rhythmologie.

9 Min.

In Ihrem Arbeitszimmer fällt der Blick als Erstes auf eine Sammlung mit Herzschrittmachern aus 40 Jahren. Stimmt der Eindruck, dass sich die Technik rasant weiterentwickelt hat?

Ja, wobei der erste einsatzfähige Herzschrittmacher schon vor mehr als 60 Jahren entwickelt worden ist. Dessen ungeachtet sind die Elektrophysiologie und die Rhythmologie noch vergleichsweise junge Fachgebiete, die sich bis heute mit stetig weiter verbesserten Geräten und Techniken tatsächlich rasant weiterentwickelt haben. Die aktuelle Forschung sorgt dafür, dass wir auch in Zukunft weitere Neuentwicklungen erwarten können, von denen unsere Patientinnen und Patienten profitieren werden.

Prof. Dr. Philipp Sommer, Direktor der Klinik für Elektrophysiologie und Rhythmologie.

Steht das HDZ hier ganz vorn bei den Pionieren? 

Ich glaube, dass die ganz große Pionierzeit mit bahnbrechenden Verbesserungen vorbei ist. Heute geht es in erster Linie darum, die bereitstehenden, sehr gut funktionierenden Verfahren in solider Routinearbeit und technisch optimal für den Patienten zu nutzen. Dank unserer Erfahrung sowie den im HDZ zur Verfügung stehenden modernen Materialien und unterstützender Medizintechnik können wir Eingriffe etwa für den Einsatz eines Herzschrittmachers heute problemlos durchführen. Inzwischen sind für uns viele Dinge selbstverständlich geworden, die uns noch vor wenigen Jahren mitunter erhebliche Kopfschmerzen bereitet haben.

Welche Patienten werden in Ihrer Klinik behandelt?

Das Spektrum ist sehr breit. Es reicht von Neugeborenen und älteren Kindern, bei denen eine Ablation durchgeführt werden muss, bis hin zu den typischen Rhythmologie-Patienten – Mittsechzigern oder noch älteren Frauen und Männern mit einem Vorhofflimmern, denen wir heute sehr gut mit einem Ablationseingriff helfen können. Wie positiv die medizinische Entwicklung in diesem Bereich ist, zeigt schon ein Blick auf die Zahl der Eingriffe. Während wir hier im HDZ noch in den Zweitausenderjahren eine Prozedur pro Woche hatten, führen wir inzwischen acht oder mehr entsprechende Eingriffe pro Tag durch.

Auf welchem Weg kommen die Patienten zu Ihnen ins HDZ?

Die enge und gut funktionierende Verzahnung mit den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen aus der Kardiologie, die den Patienten ambulant betreuen, spielt hier eine extrem wichtige Rolle. Denn dort wird letztlich entschieden, wann der nächste Behandlungsschritt eingeleitet und auch ein Platz für einen Eingriff im HDZ reserviert werden muss. Wenn die Patienten zu uns kommen, ist die zu behandelnde Rhythmus-Problematik meistens schon mit einer umfangreichen Diagnostik relativ gut abgeklärt. Wir schauen uns die mitgegebenen Befunde genau an und sichern diese, wenn nötig, mit weiteren Untersuchungen in unserem Haus ab. Erst wenn absolut klar ist, wie wir am besten helfen können, wird dann der Eingriff durchgeführt.

 Was kommt auf Patienten mit einem Vorhofflimmern in Ihrer Klinik zu?

Am wichtigsten ist, dass erst einmal die Ursache geklärt ist, die für die Beschwerden verantwortlich ist. Hierfür können neben schwerwiegenden Erkrankungen wie etwa einer Herzmuskelentzündung und einem stillen Infarkt auch weniger gefährliche Probleme wie gelegentliche elektrische Ausrutscher in Frage kommen. Wenn dies abgeklärt ist, können wir die Patienten je nach Problematik einordnen. Im besten Fall ist es möglich, das Vorhofflimmern mit einem kleinen Eingriff dauerhaft zu beseitigen. Es kann aber auch sein, dass die Symptome nur ein Teil einer sehr komplexen Erkrankung sind, die eine deutlich weitreichendere Behandlung mit Einschaltung eines weiteren Fachgebietes wie etwa der Chirurgie erfordert. Je nach Befund erstellen wir dann gemeinsam mit dem Patienten ein passendes Therapiekonzept, das so früh wie möglich bei uns umgesetzt wird.

Was können Sie besser als die kardiologische Abteilung im  Krankenhaus X oder Y? 

Anders als in einem normalen Krankenhaus werden die Patienten im HDZ in einem mit allem erforderlichen Geräten und bestem medizinischem Know-how ausgestatteten Zentrum behandelt, das auf Rhythmuserkrankungen des Herzens spezialisiert ist. Im HDZ sind unter einem Dach alle Fachgebiete und Spezialisten versammelt, die für die Behandlung von Herzerkrankungen benötigt werden. Wir können fast jedes Problem vor Ort mit allen in der Herzmedizin zur Verfügung stehenden Möglichkeiten lösen. Das gibt dem Herz-Patienten neben einem großen Maß an Sicherheit eine Top-Behandlungsqualität, die er in einem anderen Krankenhaus einfach nicht erreichen kann. Auch als behandelnder Arzt empfinde ich die Infrastruktur im HDZ als äußerst angenehm. Ähnlich wie ein perfekt abgesicherter Hochseilartist verfügen wir hier – von spezialisierten Ärzten und Kardiotechnikern bis hin zu Pflegekräften und Therapeuten auf normalen oder Intensivstationen – über ein Riesennetzwerk von hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die interdisziplinär eng für die Sicherheit und den Behandlungserfolg unserer Patientinnen und Patienten zusammenarbeiten. Dieses einmalig gute Backup trägt entscheidend dazu bei, dass wir vielen, vielen Patienten gut helfen können, die es sonst vielleicht nicht geschafft hätten. Vor allem sehr schwerwiegende und komplexe Herzerkrankungen können nur in einem top-ausgestatteten Herzzentrum mit guten Erfolgsaussichten behandelt werden.

Was bedeutet das für Sie als Klinikdirektor?

Ich empfinde es als absolutes Privileg, mich hier im HDZ ganz auf mein medizinisches Fachgebiet konzentrieren zu können. Hier kann ich wirklich ausschließlich das tun, womit den Patienten am besten geholfen werden kann. Dazu gehört auch, dass man durch die Teamarbeit immer weiter hinzulernen kann. Wir verfügen in unserer Klinik aktuell über neun Ärzte, die auf die Durchführung von Ablationen spezialisiert sind. Die hier versammelte geballte Erfahrung kommt den Patienten unmittelbar zugute. Wenn unsere Ärzte ihre Köpfe zusammenstecken, kommen sie auch in schwierigen Fällen zu einem sehr guten Ergebnis.

Wo sehen Sie Ihre Klinik im bundesweiten Vergleich?

Aktuell gehören wir ganz sicher zu den größten drei Kliniken für Invasive Elektrophysiologie in Deutschland. Weltweit gibt es zum Beispiel in China einige Kliniken, in denen deutlich mehr Ablationen als bei uns durchgeführt werden. Die Infrastruktur und Behandlung sind dort aber nach meinem persönlichen Eindruck mitunter so, dass man dies keinem unserer Patienten zumuten möchte. Unsere Abteilung im HDZ ist extrem leistungsfähig und bietet, wie eingangs gesagt, das gesamte Spektrum rhythmologischer Therapie an.

Welche Rolle spielt für Sie das Herzliche in einem Herzzentrum?  

Wir verstehen uns als Herzzentrum mit Herz und Empathie. Bei allem, was wir hier tun, müssen wir immer bedenken, dass der Aufenthalt für unsere Patienten ein absolut einschneidendes Erlebnis mit existenziellen Folgen ist. Unsere Aufgabe und unsere Verantwortung ist es daher auch, dafür zu sorgen, dass sich unsere Patienten gut bei uns aufgehoben fühlen können. Das umfasst neben der ärztlichen Behandlung, wie einer bei uns durchgeführten Ablation, den gesamten Aufenthalt. Die Zuversicht, die der Patient in einer solch schwierigen Situation braucht, müssen wir vorleben und auf ihn übertragen. Ich sage im Gespräch vor einem Eingriff häufig, dass wir nicht garantieren können, dass nichts Negatives passiert, wir aber mit unserem gesamten Team alles für ein optimales Behandlungsergebnis geben. Die Patienten nehmen das in der Regel sehr positiv auf, weil sie meistens genau merken, wenn sie als individuelle Persönlichkeit ernst genommen und während ihres gesamten Aufenthalts bei uns im wahrsten Sinne des Wortes gut behandelt werden. Ich persönlich sage hier ganz deutlich: Mich tangiert es in jedem einzelnen Fall sehr stark, wenn es meinen Patienten an irgendetwas fehlt. Ich fühle mich nur gut, wenn auch die Patienten zufrieden sind.

Wie wird sich die Rhythmologie in den nächsten zehn Jahren weiterentwickeln? 

Einen ganz entscheidenden Schritt haben wir schon gemacht: Dass unser Fachgebiet in der Medizin inzwischen auf der Grundlage eindeutiger wissenschaftlicher Nachweise allgemein eine große Akzeptanz genießt. Die Kollegen aus anderen Abteilungen wissen, dass wir ihnen nichts wegnehmen möchten und mit unserer Kompetenz dazu beitragen, dass viele Patienten mit unserer Hilfe eine deutlich bessere Lebensqualität und auch Lebenserwartung erzielen können. Für die Zukunft erwarte ich vor allem weitere Fortschritte in der Technologie. Früher wurden Herzschrittmacher mit der Größe einer Frühstücksdose eingesetzt. Aktuelle Modelle haben gerade noch die Größe einer Fingerkuppe und werden zugleich immer leistungsfähiger. Heute werden entsprechende Systeme innerhalb von höchstens 30 Minuten kathetergestützt mit minimalinvasiven Techniken über die Leiste eingebracht und im Herz verankert. Der Herzschlag des Patienten ist damit ohne Kanüle oder Batterien für 15 Jahre und mehr sicher und verträglich reguliert. Dass dies so möglich sein wird, hätte man noch vor zehn Jahren kaum geglaubt. Entsprechend gespannt bin ich, welche Weiterentwicklungen es in den nächsten Jahren geben wird.

 Was ist Ihre Motivation?

Ich darf hier genau das tun, was ich am besten kann und mir am meisten Freude bereitet. Mir macht die Arbeit mit einem richtig guten und angenehmen Team in einem dynamischen Fachgebiet mit stetig neuen Innovationen sehr viel Spaß. Hier im HDZ muss man täglich einen Spagat leisten, bei dem man modernste Technik sowie sehr unterschiedliche Krankheitsbilder verstehen und zugleich ein Gespür für den Patienten entwickeln muss. Nicht zuletzt ist es sehr angenehm, dass wir sehr vielen Patienten nachhaltig gut helfen können und es oft gelingt, ihre Erkrankung komplett zu beseitigen. All das zusammengenommen, macht für mich die Faszination und Zufriedenheit mit dieser Aufgabe aus.

Was spricht für Bad Oeynhausen als Arbeitsplatz für einen Top-Mediziner? 

Die wenigsten Kollegen kommen wegen der Reize der Stadt hierher. Für mich persönlich ist tatsächlich entscheidend, dass ich hier optimale Arbeitsmöglichkeiten habe und mit allen rund ums Herz wichtigen Fachgebieten eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten kann. Die gute Kollegialität im HDZ ist sicher etwas ganz Besonderes. Nicht zuletzt genieße ich es, in einem wirtschaftlichen Setting arbeiten zu können, das zugleich sehr stark und immer in erster Linie auf das Wohl der Patienten ausgerichtet ist. Oder, um es ganz deutlich zu sagen: Der Behandlungserfolg hat hier im HDZ immer einen deutlich größeren Stellenwert als der rein kommerzielle Erfolg.

Univ.-Prof. Dr. med. Philipp Sommer

Philipp Sommer hat nach Abschluss des Studiums der Humanmedizin an der Universitätsklinik Freiburg und seiner Promotion in der Abteilung für Herz- und Gefäßchirurgie der Chirurgischen Universitätsklinik Freiburg im Herzzentrum der Universitätsklinik Leipzig gearbeitet – zuletzt als Leitender Oberarzt der Abteilung für Rhythmologie. Seit November 2018 ist Prof. Sommer Direktor der Klinik für Rhythmologie/Elektrophysiologie im Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen.  

Zugleich wurde er zum W 3-Professor für Elektrophysiologie der Ruhr-Universität Bochum berufen. Prof. Sommer ist 2001 mit dem Nachwuchsförderpreis der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie ausgezeichnet worden und wurde 2016 innerhalb der Fachgesellschaft in das wissenschaftliche Komitee „Herzschrittmachertherapie & Elektrophysiologie“ berufen.  

Von 2018 bis 2020 war er Mitglied des Scientific Programme Committee der EHRA (European Heart Rhythm Association), 2022 Vize-Vorsitzender des EHRA Education Committee und Mitglied der Programm-Kommission der DGK. Zudem ist er seit 2023 der Editor-in-Chief des European Heart Journal Case Report. Prof. Sommer verfügt unter anderem über die DGK-Zusatzqualifikationen „Herzinsuffizienz“ und „Invasive Elektrophysiologie und Aktive Herzrhythmusimplantate“.

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