Herzgeschichten

Die Geschichte einer Flucht und eines Neuanfangs im HDZ

Vor vier Jahren änderte sich alles für die afghanische Ärztin Manizha Qarizada (51, im Foto vorne, aufgenommen 2019 im Krankenhaus Kabul, gemeinsam mit vier Krankenpflegerinnen). Nach der Machtübernahme der Taliban muss sie aus ihrer Heimatstadt Kabul fliehen.

3 Min.

08.04.2025

Team Echo mit PD Dr. Reil. 

Das Foto aus ihrer Vergangenheit zeigt nur strahlende Gesichter. Junge Leute, die stolz ihre Abschlussurkunden an der Medizinischen Universität in Kabul in die Kamera halten und sich auf ihre Zukunft als Ärztinnen und Ärzte freuen. Manizha Qarizada ist mitten unter ihnen. „Nur zehn Jahre später wurde alles anders“, sagt sie heute leise.  

Nach ihrem Abschluss an der Universität hat sie in Kabul klinische Erfahrung im Krankenhaus gesammelt, ihre Fachweiterbildung als Kardiologin absolviert, sie hat geheiratet und verlor ihren Mann durch einen Autounfall, sie hat eine eigene Praxis geführt und Menschen mit Herzleiden behandelt.  

Dann kamen die Taliban. Frauen und Mädchen sind auf einmal aus dem Bildungssystem und vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Die Rechte der weiblichen Bevölkerung werden durch Gesetze und Regelungen massiv eingeschränkt. „Es gab keine Zukunft mehr für mich, verwitwet, ohne Arbeitserlaubnis“, sagt sie. 2021 entschließt sie sich, zu ihrem Neffen in die Türkei auszuwandern.

Hoffnung auf Europa

„Ich habe in der Türkei auf einen Neuanfang gehofft.“ Sie lernt türkisch, aber die Integration wird ihr verwehrt. Acht Monate nach ihrer Einreise hebt die Türkei die Anerkennung afghanischer Flüchtlinge auf. Tante und Neffe beschließen daraufhin, gemeinsam nach Europa zu fliehen.

Über die vier Tage und Nächte, die sie auf dem Meer verbringen, bis das Boot endlich italienisches Festland erreicht, will Qarizada nicht sprechen. Zu schrecklich sind die Erinnerungen. Von Italien aus geht es weiter nach Deutschland, nach Bochum, nach Mönchengladbach, nach Paderborn. Der Zufall verschlägt sie nach Herford. In der dortigen zentralen Unterbringungseinrichtung für Flüchtlinge reagiert der Umfeldmanager Matthias Lucashen aufmerksam, als er ihre Unterlagen einsieht: Vielleicht könne man im HDZ ein Praktikum ermöglichen?   

Endlich Hilfe in Herford

„Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon nicht mehr damit gerechnet, überhaupt wieder ein normales und selbstbestimmtes Leben führen zu können“, erzählt Manizha Qarizada. Doch im Herz- und Diabeteszentrum NRW ist die freundliche Ärztin vom ersten Tag an willkommen. Während ihres Praktikums erkennen die Kolleginnen und Kollegen trotz Sprachschwierigkeiten schnell, welche Qualifikationen ihre neue Mitarbeiterin mitbringt. Geschäftsführerin Dr. Karin Overlack macht schließlich ein unbefristetes Anstellungsverhältnis möglich. „Die behördlichen Hürden sind leider enorm. Im Anerkennungsverfahren gilt es zunächst, für Frau Qarizada eine Berufserlaubnis für die Tätigkeit als Ärztin zu erlangen, später die deutsche Approbation.“

Bis dahin ist Qarizada inzwischen als Assistenzkraft in der Kardiologie beschäftigt und arbeitet daran, ihre Sprachkenntnisse weiter zu verbessern. An ihrem Arbeitsplatz fühlt sie sich wohl. In der Echokardiografie bereitet Manizha Qarizada Befunde für Oberarzt PD Dr. Jan-Christian Reil vor. „Ich bin so dankbar, hier endlich eine Perspektive gefunden zu haben“, sagt sie. 

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