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Konsequente Ausrichtung unter schwierigen Rahmenbedingungen

Im Gespräch: Geschäftsführerin Dr. Karin Overlack (l.) und Prof. Dr. Susanne Reger-Tan (r.) Klinikdirektorin der Diabetologie und Endokrinologie am HDZ NRW. Ihr gemeinsames Ziel lautet, eine hochwertige, zukunftsweisende stationäre Diabetesversorgung sicherzustellen. 

5 Min.

08.04.2025

Seit dem 1. Oktober wurde der Lehrstuhl für Diabetologie und Endokrinologie an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) nachbesetzt, die klinische Versorgung am Standort Bad Oeynhausen wird damit in Nachfolge von Professor Tschöpe fortgesetzt. Wie aufwendig ist ein solches Verfahren?

Dr. Karin Overlack:  

Der Erhalt des Lehrstuhls stand zum Glück zu keinem Zeitpunkt zur Debatte. Allerdings sind akademische Neuberufungen immer aufwendig. Und diesmal war auch ein Vertreter der Universität Bielefeld dabei. Denn seit Mai 2023 sind alle an die RUB berufenen Professoren des HDZ NRW auch Mitglieder der Universität Bielefeld und nehmen dort Verpflichtungen in Forschung und Lehre wahr.

Im universitären Verfahren halten die geeignetsten Bewerber vor der Berufungskommission so genannte Probevorträge. Zusätzlich werden von externen Experten vergleichende Gutachten zur Beurteilung der wissenschaftlichen Expertise eingeholt. Ganz am Ende, nach vielen Monaten, erteilt der Rektor einen Ruf, es schließen sich dann „nur noch“ Vertragsverhandlungen an. 

Erste Neuerung: Aus dem „Diabeteszentrum“ wurde die „Klinik für Diabetologie und Endokrinologie“. Was ist Ihnen wichtig? Welche Schwerpunkte möchten Sie setzen? 

Prof. Dr. Susanne Reger-Tan:  

Zunächst freue ich mich sehr, diese wunderschönen Fachbereiche in Forschung, Lehre und Versorgung an solch einem starken Haus und in gleich zwei Medizinischen Fakultäten vertreten und mitgestalten zu dürfen.  

Ehrlich gesagt: Strukturell kämpfen wir derzeit um das Überleben der Fächer. Dabei erleben wir gerade sehr innovative Zeiten in der Diabetologie, wobei wir strategisch den genau richtigen Weg gehen: weg vom eindimensionalen Blick auf Glukosekontrolle, hin zu einem ganzheitlichen Behandlungskonzept und zur Präzisionsmedizin.  

Ich möchte klinisch-wissenschaftlich die Integration eines digitalisierten Diabetesmanagements in die Krankenhausversorgung weiter vorantreiben, interdisziplinär die Stärken des Hauses nutzen und den inhaltlichen Fokus auf den Kardiometabolismus richten. In der Lehre und klinischen Weiter- und Ausbildung wollen wir Studierenden und angehenden Fachärztinnen und Fachärzten die Diabetologie und die Endokrinologie ans Herz legen. Traditionell arbeiten wir als Diabetesteam und sprechendes Fach ganz selbstverständlich interdisziplinär und transversal – diese Facette der zwischenmenschlichen Interaktion muss als entscheidender Erfolgs- und Zufriedenheitsfaktor aufrechterhalten werden.

Sie haben in Essen das Projekt SmartDiabetesCare initiiert, um Patientinnen und Patienten mit der Nebendiagnose Diabetes frühzeitig zu identifizieren. Zudem engagieren Sie sich in der Kommission Digitalisierung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Nur mal angenommen, Sie könnten sich ein Szenario in der Diabetologie mit maximaler Unterstützung durch technische Tools wünschen: Wie sähe das aus? 

Prof. Dr. Susanne Reger-Tan:  

Die DDG empfiehlt schon lange ein systematisches Diabetes-Screening, darüber hinaus sind CGM-Integration in die Krankenhausversorgung, elektronische Insulinanordnung, Datenteilung zwischen Klinik und ambulantem Sektor zentrale Aspekte. Es fallen mir viele existierende und noch zu entwickelnde Tools ein, wichtiger ist aber sicher das Potenzial: Die Anwendung digitaler Technologie erlaubt uns nicht nur im eigenen Zentrum eine optimierte Versorgung. Damit können wir auch andere Häuser bei der stationären Versorgung der vielen Menschen mit Diabetes mit unserer Expertise unterstützen. 

Kaum ein Tag vergeht ohne Kritik am Krankenhaus-Versorgungs-Verbesserungs-Gesetz (KHVVG). Wie ernst ist die Lage?

Dr. Karin Overlack:  

Die Situation ist leider bei weitem nicht so komfortabel, wie man annehmen könnte. Eigentlich möchte das KHVVG Zentralisierung und Spezialisierung vorantreiben, viele Punkte sind aber nicht bis zum Ende durchdekliniert. Gerade für hochspezialisierte Fachkliniken ist bislang nicht abschließend klar, welche Rolle sie spielen sollen und können. Diabetologie kommt z.B. in der vom Gesetz angedachten Logik für Fachkliniken gar nicht vor! Und die aktuell definierten strukturellen Hürden für die Leistungsgruppe Diabetologie und Endokrinologie sind so hoch, dass viele andere unstrittig hochpotente Diabeteskliniken diese Hürden nicht überspringen können.  

Trotzdem erwarten wir für das HDZ NRW, dass wir unser derzeitiges Leistungsspektrum weiter betreiben und sogar ausbauen können, z.B. an der Schnittstelle zur für die Diabetologie wichtigen Gefäßchirurgie. Was uns großes Kopfzerbrechen bereitet ist die Frage, wie Leistungszuwachs durch Zentralisierung gerade bei überregional tätigen Versorgern überhaupt abgebildet werden kann. Ich erwarte durch das KHVVG deutschlandweit schmerzhafte Einschnitte bei der Versorgung einer alternden und kränker werdenden Bevölkerung. Die Menschen werden zwar dem Grunde nach spezialisierter versorgt, aber letztlich wird in diesen Genuss nur ein Teil der Patienten kommen. Andere werden vermutlich abgewiesen, weil die künftige Finanzierung eine Versorgung wirtschaftlich verbietet und zudem die Infrastrukturen in den verbleibenden Häusern für ein deutliches Mehr an Patienten ad hoc gar nicht ausreicht.

Sie beide sind Vorstandsmitglieder des Bundesverbands Klinischer Diabetes-Einrichtungen (BVKD). Was sind die größten Herausforderungen für die rund 120 Mitgliedseinrichtungen?  

Dr. Karin Overlack:  

Ich würde fast behaupten, unsere größte Herausforderung ist die aktuelle Bundesgesundheitspolitik. Als BVKD stehen wir ja vollkommen hinter deren Zielen von Zentralisierung und Strukturbereinigung, sehen aber, dass die Ziele drohen, verfehlt zu werden.  

Prof. Dr. Susanne Reger-Tan:

Ich schließe mich dieser Ansicht an. Eine Besonderheit und eigentliche Stärke unseres Fachs die Multiprofessionalität des Diabetesteams, zu dem Professionen wie Diabetes- und Ernährungsberatung, Psychologie, Wundversorgung und Podologie zählen. Genau diese wertvollen Berufsgruppen werden in den Vorhaltekosten des KHVVG nicht berücksichtigt. Auf diesen Missstand muss hingewiesen werden, um die Chance einer Korrektur oder sinnhaften Ergänzung wahrzunehmen.

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